In 8 Schritten einen überzeugenden globalen Tone of Voice

Lektorat:

Wenn eure Organisation in mehr als einem Land tätig ist, könnt ihr entweder für jeden Markt einen eigenen „Tone of Voice“ aufstellen — oder mit einem globalen Hausstil sowohl Kosten sparen als auch die Wiedererkennbarkeit eurer Marke erhöhen.

Sabine erklärt, wie ihr lokal auf den Punkt kommt und den unverwechselbaren Kern eurer Marke kulturübergreifend erlebbar macht.

Vorab eine Definition: Was ist „Tone of Voice“ eigentlich?

Mir ist der Begriff „Tone of Voice“ zum ersten Mal in Großbritannien begegnet, als ich im LEGO Kundenservice für die weltweite „verbale Identität“ zuständig war. Leider gibt es meines Wissens keine treffende deutsche Übersetzung für den Begriff, außer vielleicht den etwas altbacken klingenden „Hausstil“

Ein praktisches Beispiel erklärt die Bedeutung von „Tone of Voice“ vielleicht am besten: 

Mein Job war es, dafür zu sorgen, dass jede E-Mail, jeder FAQ-Artikel und jeder Vordruck die Werte der Marke sprachlich verkörperte. Wer auch immer Post vom Service-Team bekam, sollte merken, dass die LEGO Group eine Spielzeugfirma ist — und keine Bank, kein Online-Casino, und auch kein „Geiz ist geil“-Geschäft.

Training, ausgefeilte Leitfäden und ein klarer Redaktionsprozess machten es möglich, die Persönlichkeit der Marke in über 20 Sprachen auszudrücken. Dabei spielten Fragen wie diese eine große Rolle: 

  • Wie positionieren sich andere Spielzeugfirmen in dem Land, welche Sprache nutzen sie?
  • Wie förmlich wollen wir sprechen und schreiben?
  • Welche Gewichtung sollten unsere Markenwerte jeweils haben? Steht in Japan z. B. eher der Spaß am Spielen im Vordergrund oder der Bildungswert?
  • Was mögen Kinder in dem Land, für das wir schreiben?
  • Was zählt für ihre Eltern, Großeltern und andere wichtige Erwachsene in ihrem Leben?
  • Welche Regeln der Höflichkeit müssen wir einhalten und welche sprachlichen Spielräume können wir eröffnen?

Globaler Tone of Voice: Das Beispiel Asterix

Spielfiguren von Miraculix, Obelix und Asterix

Wenn du je ein Asterix-Buch gelesen hast, dann kennst du bereits eins der besten Beispiele für einen lebendigen globalen Tone of Voice.

Asterix erscheint nämlich in über 100 Sprachen, und die Namen aller Charaktere spielen mit lokalen Wörtern und Redewendungen. 

Nimm zum Beispiel Gibtermine, die Empfangsdame des Therapeuten. Sie ist bekannt für ihre unbeeindruckte Gelassenheit und ihre großartigen Notizen. Gibtermine ist praktisch, vernünftig und geht mit allem um, was die Patient*innen ihr zumuten. 

Auf Englisch heißt sie deshalb Bicarbonatofsoda (wörtlich „Natron” oder „Backsoda” — ein Hausmittel, das für sein Allround-Talent bekannt ist). 

Ihr ursprünglicher französischer Name ist jedoch Boufiltre und spielt auf Filterzigaretten an. 

Die Namen spielen also auf reizvolle Weise mit Stereotypen und gemeinsamen Praktiken in den Kulturen der Zielsprachen.

Die Übertragung der Sprache einer Marke hat viel damit gemeinsam, ein Werk wie Asterix zu übersetzen. Ein großartiger Slogan lebt von den Beziehungen zwischen den Worten. Er greift auf Kultur und Linguistik zurück, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.

Auf Tonreise

Und dies hat Auswirkungen darauf, wie ein Tone of Voice weltweit funktioniert:

Tone-of-Voice-Guidelines, die auf Deutsch einen Plauderton empfehlen, könnten beispielsweise Hinweise zur Verwendung von Modalpartikeln enthalten (das sind Wörter wie halt, mal, eben) — oder zur informellen Wortwahl. 

Im Englischen gibt es keine Modalpartikeln. Stattdessen würde ein englischer Tone-of-Voice-Leitfaden vielleicht Kontraktionen behandeln (die Schreibung that‘s statt that is). 

Ein deutsch- oder englischsprachiger Hausstil ist jedoch nicht darauf ausgelegt, Ratschläge zur Verwendung von vereinfachtem oder traditionellem Chinesisch oder zum Hinzufügen des Suffixes „-je“ in niederländischen Texten zu geben, damit sie nett und zugänglich klingen. 

Infolgedessen müssen Textende in anderen Sprachen die Tone-of-Voice-Guidelines oft selbst interpretieren und entscheiden viele wichtige Details ohne globalen Kontext. Dies kann nicht nur die Kontinuität eurer Botschaften untergraben, wenn jemand Neues für euch schreibt. Ihr gebt möglicherweise viel Geld für Übersetzungen aus, die nicht auf dem neuesten Stand sind und schlimmstenfalls euer globales Markenimage schädigen.

So erstellt ihr einen globalen Tone of Voice, der eure Marke weltweit zusammenhält

1. Beginnt mit einem ausführlichen stilistischen Leitfaden in der Sprache, in der eure Marke zu Hause ist. 

Das kann die Sprache eures größten Markts sein oder die Sprache, in der ihr angefangen habt. Der Grüne Knopf würde Deutsch wählen. Zur Erasmus School of Philosophy an der Uni Rotterdam passt vielleicht eher Niederländisch oder Englisch. Bei From Scratch beginnen wir in der Regel mit Englisch oder Deutsch, den Sprachen der meisten unserer Kund*innen.

2. Holt frühzeitig Mitarbeitende aus der Zielkultur mit ins Boot.

Trainiert sie in eurem deutschen oder englischen Tone of Voice. Erklärt, dass ihr mit externen Fachleuten zusammenarbeitet, und dass jedes Teammitglied die Möglichkeit hat, zum Projekt beizutragen. Alle, die sich um eure Marke und euer Branding kümmern, sollten bei der Überprüfung eures lokalen Tone-of-Voice-Leitfadens eine Rolle spielen.

Um die Dinge überschaubar zu halten, denkt über kreative Möglichkeiten nach, eure Teams im Ausland einzubeziehen. Helft ihnen, sich als wichtiger Teil eines großen Teams zu begreifen. Ihr könnt beispielsweise Poster und Infostände in euren Büros aufhängen, lokale Tone-of-Voice-PechaKuchas durchführen oder jedes Büro einen Tone-of-Voice-Champion wählen lassen.

3. Es ist wichtig, dass ein*e Sprachexpert*in eure Organisation von außen betrachtet: Dieser Blickwinkel wird eure fremdsprachlichen Texte zum Funkeln bringen.

Idealerweise arbeitet ihr mit derselben Agentur zusammen, die eure ursprünglichen Tone-of-Voice-Guidelines erstellt hat, denn dort kennt man euch und euren Hausstil schon. Viele Agenturen (so auch wir bei From Scratch) können speziell ausgebildete fremdsprachliche Texter*innen in das Projekt einbringen, deren Erfahrung und kreative Fähigkeiten es ihnen ermöglichen, über eine reine Übersetzung hinauszugehen.

4. Gebt allen fremdsprachigen Textenden im Projekt die Möglichkeit, euren bestehenden Hausstil zu hinterfragen und im Detail nachzuvollziehen.

Wenn sie klärende Fragen stellen, ist das ein sehr gutes Zeichen. Damit die Schreibenden ein Gefühl für eure Organisation und eure Arbeitsweise bekommen, ist es großartig, wenn ihr einige Fragen direkt beantworten könnt – zum Beispiel in einer Videokonferenz.

5. Alle Textenden sollten dann in der Lage sein, einen Tone-of-Voice-Leitfaden für die jeweilige Zielsprache zu erstellen.

Ihr könnt hier mehrere Vorschläge erwarten, schließlich geht diese Form der Arbeit deutlich über eine Eins-zu-Eins-Übersetzung hinaus.

Bittet die schreibende Person, ihre Vorgehensweise zu erläutern — einschließlich der Art und Weise, wie eine direkte Übersetzung eures Tone of Voice in der Zielkultur wahrgenommen werden würde.

6. Wenn es eurem Brand-Team und den Textenden schwer fällt, sich in bestimmten Detailfragen zu einigen, arbeitet mit Fokusgruppen und Umfragen, um die Text-Ideen direkt im Zielmarkt zu testen.

Ein Beispiel: Es kann sein, dass das Gleichgewicht zwischen Höflichkeitsformen und eurer Markenpersönlichkeit nicht ganz einfach zu finden ist. In der Linguistik kennen wir das als tu/vous-Unterscheidung zwischen Sprachen. 

Englisch und Dänisch sind in dieser Hinsicht einfach, weil es nur ein gemeinsames Pronomen für Du und Sie gibt. Französisch und Deutsch haben eine formelle Form (vous, Sie)  und eine informelle (tu, du). 

In einigen Sprachen, wie dem Niederländischen, wird diese Unterscheidung immer weniger alltäglich. 

Bevor ihr euch für eine Strategie entscheidet, ist es eine gute Idee, zu schauen, was andere Marken tun. Möchtet ihr, dass sich eure Marke den Gepflogenheiten anpasst — oder soll sie auffallen? Wie könntet ihr eine lustige und leicht respektlose Marke sonst noch sprachlich darstellen, selbst wenn ihr eure Kundschaft mit „vous“ ansprecht?

Ihr könnt auch verschiedene Versionen desselben Texts in einer Doppelblind-Umfrage testen oder Fokusgruppen durchführen, um herauszufinden, ob die Leute verstehen, was ihr darstellen wollt. 

Auch Kundenservice-Teams haben oft großartige Einsichten, was funktioniert und was zu weit gehen könnte. 

Es lohnt sich, in dieser Phase Zeit und Mühe zu investieren. So könnt ihr sicherstellen, dass ihr eine solide Grundlage für jede Broschüre, Rechnung und Website habt, die eure Texter*innen später erstellen müssen.

7. Der resultierende Tone-of-Voice-Guide ist die Grundlage für neue Texte in der Fremdsprache.

Eure Materialien in der „Ursprungssprache” eurer Marke dienen nur als Leitfaden oder Beispiele. Die fremdsprachigen Texter*innen schreiben von Grund auf neue Texte, um das gleiche Gefühl wie das Original zu erwecken.

8. Zeigt die Ergebnisse eurem Branding-Team im Zielmarkt.

Schafft Gelegenheiten zum Austausch und macht es dem Team leicht, euch Rückmeldung zu geben. Sorgt bei schwierigen Entscheidungen für eine glaubwürdige Begründung. Testet im Zweifelsfall Ideen mit Fokusgruppen oder durch Umfragen und behaltet die Performanz eurer neuen Texte im Auge.

Geschafft! All done! Geslaagd! Et voilà !

Indem ihr diesen Schritten folgt, könnt ihr dafür sorgen, dass eure Tone-of-Voice-Prinzipien von soliden Techniken und Beispielen gestützt werden — und eure Marke in anderen Kulturen und Sprachen wirklich zum Leben erwecken. 

Ihr befähigt dadurch Textende in anderen Ländern, fundierte Entscheidungen zu treffen — und eure Marke in die passenden Worte zu kleiden.