Unternehmen LGBT-freundlich und inklusiv gestalten

Lektorat:

Eine befreundete bilinguale Designerin hat uns eine Medienanfrage mit dem Titel „Was können Unternehmen tun, um LGBT-freundlich zu sein?“ übermittelt. Sie weiß, dass uns die queeren Communities am Herzen liegen, also war es eine umsichtige Botschaft. Aber um unsere Antwort einzureichen, hätten wir £49 zahlen müssen. Stattdessen haben wir uns entschieden, die Frage hier anzugehen.

Also, wie macht ihr euer Unternehmen LGBT-freundlich und inklusiv? — die Kurzfassung:

  • Vermeidet Klischees, heteronormative Sprache und das Wort „transsexuell“.
  • Schafft eine wertschätzende Umgebung. Ermutigt alle, ihre Pronomen, einschließlich nicht-binärer und Neo-Pronomen, auf Formularen anzugeben. Denkt immer daran, dass es auch bi+ und pansexuelle Menschen gibt.
  • Schafft psychologische Sicherheit mit einem Fokus aufs gemeinsame Lernen. Fragt nur dort nach persönlichen Informationen, wo es notwendig ist. Schult alle Mitarbeiter:innen zu LGBT-Themen einschließlich Intersex, Agender und Transgender. Und lasst eure Taten lauter sprechen als Worte.

Eins vorweg: LGBT-Freundlichkeit ist eine Haltung, keine To-Do-Liste

Ganz klar: Wenn ihr dies lest, seid ihr wahrscheinlich bereits offen für die Bedürfnisse und Wünsche von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-Menschen, Queeren, Fragenden, Intersexuellen, Asexuellen und ihren Verbündeten (LGBTQQIA+, auf Deutsch auch manchmal als LSBT+ bekannt — wir verwenden in diesem Text die Kurzform LGBT+. Aus SEO-Gründen und um die Lesbarkeit im Zusammenhang mit Bindestrichen zu verbessern, lassen wir das Plus an manchen Stellen weg).

Denn intersektioneller Feminismus ist eng mit LGBTQ-Themen verbunden. Wer Ja zu queerer Emanzipation sagt, muss auch Nein zu Rassismus, Antisemitismus, Bigotterie und Ableismus sagen.

Letztlich ist es diese Haltung, die weltweit Sozialunternehmen und Organisationen mit Integrität eint: die Verpflichtung zu echter Vielfalt und Inklusion. In solchen Organisationen zielen Geschäftsmodelle, Strategien und Programme auf Chancengleichheit ab — und nicht auf bloße Gleichberechtigung.

Unabhängig davon, ob eure Organisation bereits ein lautstarker LGBTQ-Verbündeter ist oder sich gerade neu orientiert: Hier findet ihr einige hilfreiche Tipps aus unserer Erfahrung beim Schreiben inklusiver Texte für inklusive Marken.

Wir sollten hinzufügen, dass die sprachliche und soziale Forschung in diesem Bereich immer weiter voranschreitet und es letztendlich Sache der queeren Gemeinschaften und Einzelpersonen selbst ist, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu bestimmen.

Betrachtet die folgenden Punkte daher bitte als bescheidenes Angebot, um eure Inklusionsbemühungen anzustoßen.

Aus Texterinnen-Sicht wichtigster Rat für LGBT-freundliche Unternehmen: Meidet heteronormative Sprache und Inhalte

Heteronormativität? Was ist das?

Heiko Motschenbacher, ordentlicher Professor für Englisch als Zweit-/Fremdsprache an der Western Norway University of Applied Sciences, Bergen, erklärt:

Heteronormativität ist ein Konzept, das in der Queer Theory im weiteren Sinne und in der Queer Linguistik im Besonderen kritisch diskutiert wird. Es bezieht sich auf die diskursive (und daher teilweise sprachliche) Konstruktion von (bestimmten Formen von) Heterosexualität als natürlich, normal, wünschenswert oder alternativen Sexualitäten vorzuziehen. Nicht-heteronormative Sprachpolitiken zielen darauf ab, heteronormativen Strukturen, insbesondere geschlechtsspezifischen und sexuellen Binarismen, entgegenzuwirken, indem sie alternative Ausdrucksmöglichkeiten anbieten, die solche traditionellen Diskurse nicht weiter verankern.

(unsere Übersetzung)

Mit anderen Worten: Heteronormative Sprache geht von der Geschlechtsidentität, der sexuellen Identität usw. einer Person oder ihres Familienmitglieds/Ehepartners aus. Sie bezeichnet die heterosexuelle Orientierung als „die Norm“ oder „normal“.

Diese Art von diskriminierender Sprache grenzt queere Menschen aus. Viel besser ist es daher, eine integrative, geschlechtergerechte, LGBT-freundliche Sprache zu verwenden. Vor allem, wenn ihr nach der Familie fragt und Mitarbeitende mit Begleitung zu Veranstaltungen einladet.

Zum Beispiel sollten wir nicht einfach alle Mitarbeiterinnen, Studentinnen oder Kundinnen nach ihren Ehemännern oder Freunden und alle Mitarbeiter nach ihren Freundinnen oder Ehefrauen fragen.

Als subtiles Beispiel für heteronormative, binäre Sprache nennt Maya M in ihrem Artikel für Bustle den gängigen Modebegriff „Boyfriend-Jeans“ (unsere Übersetzung):

Der Trend, locker sitzende Kleidung für Frauen als „Boyfriend“-Fit zu bezeichnen, legt zwei Dinge nahe: Erstens, dass nur eng anliegende Kleidung für Frauen akzeptabel ist und sie derart locker sitzende Kleidung daher von ihrem Freund ausgeliehen haben müssen (was die verwandte Annahme impliziert, dass ihr Freund größer ist als sie); und zweitens, dass Frauen überhaupt einen Freund haben sollten.

Wir können noch einen Schritt weiter gehen und vereinfachende Kategorien abschaffen, die nur der Polarisierung dienen. Praktisch gesprochen: Lasst uns vermeiden, Männer und Frauen als Gegensätze darzustellen (wie in „Angehörige des anderen Geschlechts“).

In ihrem Buch Zart und frei: Vom Sturz des Patriarchats zeigt Carolin Wiedemann, wie solche Denkgewohnheiten mit den sozial-ökologischen Krisen unserer Zeit zusammenhängen:

Unser gesamtes modernes Denken ist binär strukturiert, wir lernen in Gegensätzen zu denken, die binär-hierarchisch, die männlich-weiblich konnotiert sind, die sich in gewisser Weise alle rückbeziehen lassen auf die Vorstellung einer Opposition von Kultur und Natur, ein Konzept von einer Zivilisation, die vermeintlich auf Naturunterwerfung gründen muss, wie es schon in der Aufklärung angelegt wurde. … Und auch die Dichotomien aktiv-passiv, subjektiv-objektiv, autonom-abhängig leiten und ordnen unsere Wahrnehmung, wobei eine der beiden Seiten sich uns durch unsere Sozialisation doch immer jeweils als eher männlich oder eher weiblich offenbart. (Und immer ist klar, was das Bessere, Erstrebenswertere ist, was für den Herrn und was für den Knecht steht.)

(S. 85f.)

Und denkt daran, dass man auch heterosexuell UND trans oder heterosexuell UND intersex sein kann — und damit Teil der LGBT-Gemeinschaften.

Ressourcen, die helfen, LGBT-freundlich zu schreiben

Beim inklusiven Marketing geht es jedoch um mehr als nur um die Wortwahl. Es geht auch um Inhalte.

Deshalb sollten wir uns beim Storytelling nicht mit ausschließlich heterosexuellen, cis-gender Beispielen zufrieden geben. Stattdessen können wir queere Sportler:innen, Influencer:innen und Eltern zeigen.

Dies gilt auch für Bildmaterial. Sorgt also dafür, dass es so inklusiv wie möglich ist. Nehmt beispielsweise nicht gleich das erste Stock-Foto, das angezeigt wird, wenn ihr nach „Familie“ sucht. Wie der folgende Screenshot von Pexels zeigt, werden euch wahrscheinlich nur männlich-weibliche Paare und ihre Kinder präsentiert:

Screenshot vom November 2022 mit den ersten Bildern, die angezeigt werden, wenn man auf Pexels.com nach „Familie“ sucht. Bilder zeigen heterosexuelle Paare mit Kindern.

Denkt darüber nach, die sexuelle Orientierung von Personen zu erwähnen (mit deren Zustimmung!) – auch wenn ihr nicht über Sex sprecht oder schreibt. Schließlich ist es an der Zeit, dass wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass Queersein nicht nur Sex betrifft — sondern das ganze Leben.

Um ein Beispiel aus der deutschen Politik zu nennen: Am 20. September 2020 fragte BILD Live Friedrich Merz, ob er Bedenken hätte, wenn ein schwuler Mann Bundeskanzler würde. (Merz wollte damals der nächste Vorsitzende der CDU werden. Hat er dann ja auch über Umwege geschafft.)

Seine Antwort:

Nein. Lassen Sie es mich so sagen. Über die Frage der sexuellen Orientierung, das geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht –, ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion.

Viele Politiker:innen und Medien waren zu Recht empört über die archaische Vorstellung, dass Schwulsein irgendwie mit Pädophilie zu tun hätte. Bei all dem Lärm übersehen die meisten Menschen allerdings eine subtilere Botschaft von Merz. Nämlich, dass es anscheinend nicht in Ordnung ist, „öffentlich“ schwul zu sein. Wenn jedoch ein:e heterosexuelle:r Politiker:in mit Ehepartner:in in der Öffentlichkeit gesehen wird, ist das irgendwie völlig in Ordnung?!

Ein solches Weltbild zeigt, wie viel Arbeit wir noch leisten müssen, um queeres Leben in der (deutschen) Gesellschaft zu normalisieren.

Gebt öffentlich an, welche Pronomen ihr für euch selbst verwendet

Möchtest du, dass die Leute dich als „sie/ihr“ bezeichnen? „Er/ihm?“ „Dey“ oder „xier“? Oder etwas anderes?

Traditionell wurden weiblich aussehende Personen mit feminin klingenden Namen als „sie“ und männlich aussehende Personen mit maskulin klingenden Namen als „er“ bezeichnet. Wie Professor Motschenbacher erklärt, konstruieren solche binären Strukturen

Menschen ständig entweder als weiblich oder männlich (und daher als Teil eines der beiden geschlechtsspezifischen Gegensätze, die sich gegenseitig anziehen), wodurch alternative Identifikationen ausradiert oder stigmatisiert werden.

Anstatt nur offen transgender und nicht-binäre Menschen zu bitten, mögliche „alternative Identifikationen“ offenzulegen und sie damit zu isolieren, macht eure Pronomen in Tools wie Slack, auf der Website oder LinkedIn bekannt. Andere werden eurem Beispiel folgen. Und plötzlich wird es ein wenig einfacher, die Annahme zu hinterfragen, dass es nur Frauen und Männer gibt.

Wenn ihr euch nicht sicher seid, ob sich der Aufwand lohnt, seht euch diesen Instagram-Post von @jordie_slonim an.

Hier ist die Caption des Beitrags (unsere Übersetzung):

Meine Pronomen sind dey/deren (im Original: they/them).

Das erste Mal, dass ich jemandes Pronomen in einer E-Mail-Signatur gesehen habe, war vor ungefähr einem Jahr. Ich hatte sie wegen eines Forschungsprojekts kontaktiert, die ich über die Spaltung des Weiblichen machte. Diese Person ist eine cisgeschlechtliche, heteronormative Frau.

Als ich diese Pronomen sah, fühlte ich mich willkommen, einbezogen, sicher. Diese Person ist eine Verbündete.

Obwohl ich etwa 6 Monate zuvor erkannt hatte, dass ich genderqueer bin und meine Pronomen dey/deren sind, hatte ich nicht wirklich daran gedacht, dies zu tun.

Ich habe meine Pronomen sofort zu meiner E-Mail-Signatur, meinen Social-Media-Profilen und seit kurzem auch zu meinem Zoom-Namen hinzugefügt.

Es ist ziemlich einfach. Alle können das tun.

Es hilft Folx wie uns zu wissen, dass es dir wichtig ist und dass du Leuten nicht einfach ein Geschlecht unterstellen wirst. Diese kleine Aktion deinerseits normalisiert das Verständnis, dass Geschlechtsidentität und -ausdruck auf einem Spektrum liegen.

Und es hilft uns, uns gesehen und gehört, sicher, willkommen und berücksichtigt zu fühlen.

Als nächsten Schritt schreibt interne und externe Dokumente mit den Pronomen, die Menschen für sich selbst verwenden. Das mag zunächst unbequem sein. Aber in anderen Zusammenhängen sprechen und schreiben wir ja bereits so — wie die Rapperin Sookee erklärt:

Ich finde das eine wunderbare Aufgabe, wenn Leute in meinem Umfeld eine Transition benennen, ein anderes Pronomen oder eher das richtige Pronomen einführen oder einen neuen Namen haben. Genauso wie wenn Leute heiraten und dann heißen sie „Müller“ und nicht mehr „Özcan“. Dann ist das so. Ich finde das eher schön — wie zum Beispiel eine neue Frisur. Oder: „Ach guck mal! Das ist eine neue Brille.“ Ich bemühe mich und denke nicht: „Ach, das ist jetzt schwierig. Ich muss jetzt umdenken.“ Ich finde, das sind schöne Herausforderungen, die minikleine Teilerfolge sind. Da tut sich was und Leute trauen sich, darauf zu insistieren und zu sagen: „Nee, ich möchte das aber so. Und ja, ich habe jetzt grüne Haare und ich heiße Müller und ja, das Pronomen ist ‘er’.“ Also, ich finde: Alles, was hilft, ist gut.

Luise F. Pusch & Sookee, Feminismus und Sprache: Ein Gespräch. S. 24f. Hier auch als YouTube-Video.

Tipp: LGBT-freundlich über Unbekannte sprechen und schreiben

Wendet bei der Bezugnahme auf unbekannte Personen oder Gruppen den Grundsatz der Geschlechtsneutralisierung an. Die Verwendung des Namens oder von Neo-Pronomen wie „dey“ oder „xier“ „behandelt Frauen und Männer (und alle anderen geschlechtsspezifischen Identitäten) gleich, ohne traditionelle Geschlechterdiskurse zu unterstützen, und es verankert die Geschlechterbinaritäten nicht weiter auf der diskursiven Ebene“ (sagt Professor Motschenbacher — unsere Übersetzung).

Vermeidet das Wort „transsexuell“

In deutschen Texten und solchen, die vom Deutschen ins Englische übersetzt wurden, begegnen uns meist veraltete Ausdrücke wie diese. Sehr gelegentlich finden wir diese Terminologie in ungeschickt geschriebenen (oder streng konservativen oder historischen) Texten aus queeren Communities selbst.

Wie das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. erklärt, findet sich der Begriff „transsexuell“

vor allem im medizinischen, psychologischen und rechtlichen Bereich. Die
Nutzung von „transsexuell“ zur Beschreibung von trans* Personen durch cis Personen
wird wegen des historischen Kontexts häufig als diskriminierend angesehen und von trans* Personen abgelehnt. Ab den 1950er Jahren war ,,Transsexualität‘‘ von der Medizin und Psychologie als Krankheit definiert und als solche in der internationalen Klassifikation von
Krankheiten (ICD) gelistet. Diese Einordnung beförderte die Stigmatisierung von trans* Personen.

Dennoch lohne es sich, genauer nachzufragen:

Einige trans* Personen ziehen den Begriff „transsexuell“ trotzdem anderen Bezeichnungen wie „transgender“ vor. Durch das englische Wort „sex“ können sie den Fokus ihrer Selbstbeschreibung darauflegen, dass es ihr Körper ist, welcher von der Geschlechtsidentität abweicht.

Informiert euch darüber, was es bedeutet, intersexuell, agender oder transgender zu sein

Devon Price bietet ein schönes Beispiel dafür, wie man die richtigen Worte findet, wenn man sich nicht sicher ist, wie man das Geschlecht oder die sexuelle Identität einer Person beschreibt:

„Nun, worauf willst du hier hinaus?“ fragte sie in einem ruhigen, neutralen Tonfall. „Sieht sich das Kind als eine Mischung aus männlichen und weiblichen Qualitäten oder als Person, die zwischen Identitäten hin und her wechselt? Oder fühlt sich das Kind, als hätte es kein Geschlecht?“

„Mischung klingt meiner Meinung nach am ehesten richtig“, antwortete Ben. „Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie das Kind es ausdrücken würde.“

„Klingt so, als ob du deine Freundin fragen solltest“, sagte Sherry. „Oder noch besser, frag das Kind. Warte einfach ab, wie sie es beschreiben.“

„Ja, wahrscheinlich hast du recht.“ Ben sah mich irgendwie verlegen an. „Es tut mir leid, ich klinge wahrscheinlich wie ein alter Depp.“

„Alles gut, du lernst noch“, sagte ich und war überrascht, dass ich nicht mehr wütend oder nervös war.

Kurz gesagt: „Wenn du darüber schreiben oder sprechen musst, frag die Leute, wie sie ihre Beziehungen beschreiben und nutze ihre Terminologie“ (Quelle — unsere Übersetzung).

Erkennt die Existenz von Bisexualität und Pansexualität an, statt sie zu ignorieren

Bi+ und pansexuelle Menschen sind oft unsichtbar. Wenn sie in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben, ist es leicht anzunehmen, dass sie schwul oder lesbisch sind. Und wenn sie in einer heterosexuellen Beziehung sind, wirken sie heterosexuell.

Daher ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass bi- oder pansexuelle Menschen der Außenwelt nur einen Teil ihrer Identität zeigen – was wehtun kann. Noch besorgniserregender: Diese Unsichtbarkeit schafft den perfekten Nährboden für Mythen („bisexuelle Menschen sind auch polygam“) und macht bisexuelle Lebensstile zu einem Fetisch (Hallo, Internet-Porno).

Leute, die nach Gleichgesinnten suchen oder sich fragen, ob sie bi+ oder pansexuell sind, haben es auch viel schwerer, andere zu finden, mit denen sie sich identifizieren können. Pansexuelle und bisexuelle Gemeinschaften sind in der Regel viel weniger sichtbar als viele schwule oder trans Gemeinschaften. Das macht es für bi+ und pan-Menschen schwieriger, Unterstützung zu finden.

Renzo Wellinger erklärt in einem richtig gut gemachten Schwerpunktartikel für Glamour, warum es so wichtig ist, das „B“ oder „Bi“ in LGBT+ und LSBT+ nicht wegzulassen:

Bisexualität wird im Diskurs rund um LGBTQIA+ immer noch viel zu oft ausgeklammert, fällt quasi in die Lücke des binären Systems zwischen das “vereinfachende Gegensatzpaar” von Hetero- und Homosexualität. Dadurch werden bisexuelle Menschen und ihre Identität in unserer Gesellschaft unsichtbar.

Es geht nicht nur darum, dass ihr euch und eure Kund:innen weiterbildet. Es ist auch wichtig, eure Mitarbeitenden über bi+ und pansexuelle Lebensstile aufzuklären. So könnt ihr vermeiden, dass diese am Arbeitsplatz und in der Kultur im Allgemeinen fetischisiert werden.

Vermeidet Klischees, wenn ihr über LGBT-Personen sprecht — egal, ob sie als positiv oder negativ gelten

Die Welt ist voll von Stereotypen und Klischees über die Regenbogengemeinschaften. Unnötig zu sagen, dass sie normalerweise nicht stimmen. Einige wurden aber sogar durch den wissenschaftlichen Diskurs gefördert.

Chloe Gan erklärt, dass die Linguistikprofessorin Robin Lakoff

eine Frauensprache vorschlug (WL) vor (1973), gekennzeichnet durch superhöfliche Formen, steigende Intonation, Frage-Anhängsel und die Verwendung von Adjektiven und ausgefeilten Farbbegriffen. Laut Lakoff wurde dies in der schwulen Sprache „nachgebildet“, und sie schlug vor, dass schwule Männer diese Sprachmuster absichtlich nachahmen.
Es hat sich jedoch gezeigt, dass WL Überzeugungen darüber widerspiegelt, wie Frauen sprechen, anstatt wie sie tatsächlich sprechen. …
Lakoff erklärte auch, dass das Gegenteil von WL keine Männersprache, sondern eine neutrale Sprache sei. Dies deutet darauf hin, dass die Norm darin besteht, „wie ein Mann“ zu sprechen, und wer davon abweicht, spricht „wie eine Frau“ oder „klingt schwul“.

Zu sagen, dass jeder schwule Mann auf eine bestimmte Weise spricht, ist unfair. In der schwulen Community gibt es so viele verschiedene Subkulturen, dass es einfach nicht korrekt ist, sie als sprachlich homogene Gruppe zu klassifizieren. Das schwule Stereotyp der hyperfemininen Sprache wurde durch die Populärkultur weiter verschärft, in der schwule Männer als übermäßig extravagant und schrill dargestellt und zur Belustigung eingesetzt werden.

(unsere Übersetzung)

Andere schädliche und falsche Klischees sind …

  • der Glaube, dass schwule Männer einen großartigen Sinn für Stil haben
  • die Annahme, dass es in jeder Beziehung jemanden gibt, der „die Rolle des Mannes“ spielt, und jemanden, der „die Rolle der Frau“ spielt
  • die Idee, dass Lesben Männer hassen, männlich aussehen und Hobbies haben, die stereotyp mit Männern in Verbindung gebracht werden (wie Fußball, Automechanikerin usw.)
Someecards E-Card mit der Aufschrift „Happy Gay Pride Month an einen merkwürdig gut gekleideten Mann“. (Bildquelle)

Es gibt noch viel mehr – einige subtil, andere weniger.

Wenn ihr Inklusion fördern wollt, empfehlen wir euch, diese Klischees zu hinterfragen und komplett hinter euch zu lassen.

Fragt nur dann nach dem Geschlecht, der sexuellen Orientierung oder dem Familienstand, wenn es absolut notwendig ist

Wir begegnen immer noch unzähligen E-Mail-Anmeldeformularen, Bestellformularen und sogar Bewerbungsprozessen, die uns dazu auffordern, einen geschlechtsspezifischen Titel zu wählen, ein Kästchen anzukreuzen, das besagt, dass wir männlich oder weiblich sind, und anzugeben, ob wir verheiratet oder ledig sind.

Wirken sich diese Informationen auf die E-Mails oder Produkte aus, die wir bekommen? Wahrscheinlich nicht.

Beeinflussen diese Infos unseren Zugang zu Jobs? Hmmmm …

Es ist jetzt über vier Jahre her, dass die DSGVO in Kraft getreten ist, also sollten wir eigentlich gar nicht über Datenminimierung diskutieren müssen. Datenminimierung bedeutet im Prinzip, dass wir immer nach so wenig persönlichen Informationen wie möglich fragen. Fragt also nur nach dem, was ihr für euren konkreten Zweck unbedingt wissen müsst.

Wir würden mal schätzen, dass Geschlecht und Familienstand nicht erforderlich sind, wenn jemand eine Bestellung aufgibt oder E-Mails abonniert. Das Gleiche gilt für Bewerbungen. Einige Unternehmen müssen diese Informationen allerdings im Rahmen der Gesetzgebung zur Verbesserung der Bemühungen um Vielfalt und Inklusion anfordern.

In Großbritannien zum Beispiel beinhalten Bewerbungen oft ein „Equal Opportunities Monitoring Form“. Das Formular fragt nach Dingen wie ethnischer Zugehörigkeit, Behinderung und sexueller Orientierung (hier ist ein Beispiel). Es wird getrennt vom Rest der Bewerbung eingesammelt und soll dazu beitragen, die Vielfalt am Arbeitsplatz zu erhöhen.

Gleichzeitig kann das Ausfüllen dazu führen, dass sich Menschen verwundbar fühlen. Was ist, wenn diese Informationen doch (versehentlich) weitergegeben werden?

Wenn diese Formulare bei der Arbeit unerlässlich sind, gibt es einen wichtigen Punkt, den alle, die diese Unterlagen einsehen können, beachten müssen. Das Ausfüllen des Formulars ist nicht gleichbedeutend mit einem „Coming Out“ am Arbeitsplatz. „Coming Out“ ist ein vielschichtiger, komplexer Prozess und stark vom kulturellen Erbe einer Person geprägt:

Oft haben LGBT-Personen aus verschiedenen Kulturen oder Glaubenstraditionen bestimmte Familien- oder Arbeitsplatztraditionen in Bezug auf „Coming Out“. Geht nicht davon aus, dass jede Person, die am Arbeitsplatz gerne „out“ ist, auch in anderen Umgebungen „out“ ist! Menschen haben das Recht, ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität zu ihren eigenen Bedingungen offenzulegen und sich dafür alle Zeit zu nehmen, die sie brauchen.

(Inclusive Language Guide von Victoria, Australien — unsere Übersetzung)

Wenn ihr wirklich unbedingt etwas über Geschlecht oder Beziehungen wissen müsst, muss euer Formular zumindest die Realität widerspiegeln, indem es mehr als eine einfache binäre Auswahl bietet. Zum Geschlecht gehört mehr, als männlich ODER weiblich zu sein. Beziehungen sind mehr als nur single ODER verheiratet zu sein.

Das könnt ihr über Verbalhygiene hinaus tun, um euer Unternehmen LGBT-freundlich zu gestalten

Während Sprache Veränderungen anregen kann, sprechen Taten manchmal lauter als Worte. Dieser Artikel wäre also nicht vollständig ohne die folgenden nicht-linguistischen Empfehlungen:

  • Bietet Unisex-Toiletten an.
  • Gebt eurem Team die Wahl zwischen verschiedenen Dresscodes/Uniformen.
  • Zwingt niemanden, Make-up, Röcke oder Absätze zu tragen.
  • Haltet niemanden davon ab, Make-up, Röcke oder Absätze zu tragen.
  • Informiert eure Belegschaft über LGBT-Themen als Teil eurer Schulungsbemühungen zur Unternehmenskultur. Dies funktioniert am besten, wenn der Inhalt gemeinsam mit LGBT-Mitarbeitenden erstellt wird — solange die Betroffenen nicht auch noch den Workshop selber halten müssen.
  • Unterschätzt nicht den Einfluss, den Manager:innen auf die Unternehmenskultur haben können. Sorgt also dafür, dass auch Mitarbeitende bis zur C-Ebene an der Schulung teilnehmen.
  • Feiert den Christopher Street Day und unterstützt Menschen, die in den Regenbogengemeinschaften aktiv sind. Aber bitte achtet das ganze Jahr über auf LGBT-Probleme – und nicht nur während des Pride-Monats.

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