Corporate Language: Höflichkeit alleine reicht nicht

„Corporate Language“ — was ist das?

Bei „Corporate Language“ geht es um den sprachlichen Stil, den eine Organisation oder eine Marke pflegen will. Corporate Language ist ein wichtiger Bestandteil der Markenidentität im Bereich Branding bzw. Corporate Identity.

Warum ist Sprache im Branding so wichtig?

Denn jedesmal, wenn wir mit jemandem kommunizieren, handeln wir unsere Beziehung miteinander aus. Befinden wir uns auf Augenhöhe? Wer hat „die Oberhand”? Bist du auf meiner Seite? Wie nah sind wir einander? Das geschieht im persönlichen oder beruflichen Umfeld genauso wie im Kontakt mit einer Marke — beispielsweise in der Werbung oder im Austausch mit dem Kundenservice.

Welche Bestandteile von Corporate Language gibt es?

Wortwahl und Stil, ja: selbst die Nutzung von leerem Raum, Zeilenabständen oder der Klang unserer Stimme — all das kommt bei diesem Aushandeln zum Tragen. Und das Resultat hängt nicht allein von der Person ab, die da spricht oder schreibt. Beide Parteien erschaffen gemeinsam die Beziehung. Zuhören und Schreiben sind nämlich untrennbar miteinander verbunden.

Warum Höflichkeit als sprachliche Markenidentität nicht reicht

Bei der Arbeit greifen viele Menschen auf die vermeintlich sichere Höflichkeit zurück. Es ist aber verhandelbar, was „höflich“ genau bedeutet. Jeder Mensch drückt Höflichkeit anders aus, empfindet sie auf seine Weise. Auch der Inhalt des Gesprächs und die Situation, in der wir kommunizieren, beeinflussen, wie unsere Worte ankommen.

Die Sprachwissenschaftlerin Deborah Tannen erkennt an, dass es „immer ein paar Leute gibt, die nach wie vor überzeugt sind, dass Höflichkeit eine einzige Bedeutung hat (nämlich die von ihnen bevorzugte)” (Tannen 2011, unsere Übersetzung).

Aber wenn wir mit Firmen über Höflichkeit im Umgang mit Kundschaft sprechen, spüren wir ein wachsendes Bewusstsein für die Nuancen des Themas.

Soziolinguist*innen wie Deborah Tannen unterscheiden verschiedene Formen der Höflichkeit — zum Beispiel „Höflichkeit der Distanz” und „Höflichkeit der Kameraderie”, Ausdrücke von Macht und Solidarität.

Distanz und Macht werden oft mit einem förmlicheren, ehrerbietigen Stil — wie bei der Grußformel „Sehr geehrte Frau Stelzer”. Diese Art zu sprechen respektiert die Unabhängigkeit der Angesprochenen und die Macht, die sie über unsere Beziehung hat. Denn wenn die nichts mehr bei uns kaufen will, kann sie jederzeit anderswo Kundin werden.

Im Gegensatz dazu sieht man Kameraderie und Solidarität häufig in informeller, persönlicher Sprache — wie beim Gruß „Hallo Nadine” oder „Grüß dich, Nadine!” Hier haben wir es mit einem eher beziehungsorientierten Stil zu tun. Er betont die Tatsache, dass Firma und Kundin „auf einer Seite” sind. Auch über den einzelnen Kauf hinaus.

Dabei ist es nur natürlich, dass sich Menschen in ihren persönlichen Vorlieben unterscheiden: Manche bevorzugen eine eher förmliche Beziehung, während andere es salopper mögen. Probleme entstehen erst, wenn Missverständnisse auftreten. Das kann geschehen, wenn der*die Angesprochene eine Aussage nicht so interpretiert, wie die Firma sie gemeint hat. Wir zitieren noch einmal Prof. Dr. Tannen:

„Der persönliche Ausdruck von Solidarität kann sich wie eine Zumutung anfühlen (die Unabhängigkeit wird verletzt), wie Herablassung (unehrliche Solidarität) oder wie eine Frechheit (ein unangemessener Anspruch auf Gleichberechtigung). Andererseits kann ehrerbietig-höfliche Kommunikation (die Zumutungen vermeiden will) halbherzig (kraftlos) wirken, oder auch hochnäsig, bzw. als ob man den Chef raushängen lässt”

(Tannen 2011, unsere Ăśbersetzung).

Beispielsweise sprecht ihr vielleicht jemanden aus Freundlichkeit mit dem Vornamen an, aber die Person findet euch nassforsch und unverschämt. Oder ihr seid unglaublich höflich und sie denkt, sie sei euch piepegal.

Wie bringen wir also in der Corporate Language die Beziehung zum Ausdruck, die wir uns mit Kund*innen wünschen… ohne diese Fallstricke?

  1. Reflektiert über die Beziehung, die ihr wirklich zu eurer Kundschaft sucht — und welche Art der Beziehung sie vielleicht von euch erwarten.
  2. Wählt euren Kommunikationsstil so, dass er diese Beziehung ermöglicht, und steht dazu. Werft Sorgen und Befürchtungen über Bord und bleibt konsequent in eurem Sprachgebrauch. Klar, manche Leute werden ihn nicht mögen. Aber sind das die Menschen, die ihr für euch gewinnen wollt?
  3. Seid konsequent. Das ist so wichtig, dass wir es noch einmal sagen. Ihr überbringt schlechte Nachrichten? Tappt nicht in die Förmlichkeitsfalle, sondern sprecht so wie immer. Ihr plant einen Sale? Gleitet nicht ins Plump-Vertrauliche ab. Das soll nicht bedeuten, dass ihr euren Ton niemals der Situation anpassen solltet. Beim Sprechen machen wir das ja ganz von selbst. Achtet einfach darauf, dass ihr nicht wie eine ganz andere Persönlichkeit klingt.
  4. Macht es explizit. Nutzt eure Über-Uns-Seite, euren Hilfebereich oder euer Mission Statement, um Menschen zu sagen, welche Beziehung ihr sucht. Ihr zwingt euch dadurch selbst zur Klarheit und gebt Besucher*innen einen Anhaltspunkt zum Verständnis eurer Firmenpersönlichkeit.
  5. Ihr habt über dieses Thema noch nie nachgedacht? Beginnt, indem ihr den Stil eurer Kundschaft spiegelt. Falls sie euch mit Du ansprechen, duzt zurück. Wenn sie eher steif und korrekt auftreten, poliert eure Ausdrucksweise und schreibt eher förmlich. Mit der Zeit werdet ihr Muster erkennen, die euch dabei helfen, eure ideale Kundinnen-Beziehung zu definieren. Und herausfinden, womit ihr euch am wohlsten fühlt.
  6. Holt euch Hilfe. Ob Fokusgruppe, erhellendes Buch oder Kommunikationsberatung (hallöchen!): Es gibt viele Möglichkeiten, eine objektive Außenperspektive auf eure Kommunikation zu bekommen. Wenn ihr erst einmal wisst, wie eure Worte bei den richtigen Leuten ankommen, könnt ihr solche Beziehungen mit mehr Selbstvertrauen, Kraft und Elan aufbauen.

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